Manchen Menschen ist sie wichtiger als anderen. Manche Menschen erachten sie als selbstverständlich. Manchen Menschen bleibt sie (fast) vollständig verwehrt. Die Privatsphäre.
Geregelt ist das Recht auf Privatsphäre in Art 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und lässt sich so beschreiben:
Die Menschen sollen einen abgeschirmten persönlichen Bereich erhalten, in dem sie sich frei und ungezwungen bewegen können, ohne befürchten zu müssen, dass beispielsweise Dritte sie beobachten.
Privatsphäre ist also ein nichtöffentlicher Bereich innerhalb dessen ein Mensch, ohne dass er von außen in irgendeiner Weise behelligt wird, sein Menschenrecht auf freie Entfaltung wahrnehmen kann. Daraus lässt sich zweifellos ableiten, dass es Privatsphäre ohne Wohnraum nur schwerlich geben kann.
Wer sein Leben im öffentlichen Raum zu verbringen gezwungen ist, ist Eingriffen schutzlos ausgeliefert. Das beginnt damit, dass die (wenigen) Habseligkeiten offen einsehbar sind, dehnt sich darauf aus, dass es kaum möglich ist, sich anderen Menschen und im Zweifel ihren Begehrlichkeiten zu entziehen und endet darin, Vorurteilen und in der erhöhten Wahrscheinlichkeit, gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt zu sein.
Sich bewusst zu machen, dass ein geschützter Lebensraum in einer Zeit, in der sich (drohende) Wohnungslosigkeit quer durch die Gesellschaft, eben keine Selbstverständlichkeit darstellt, hilft vielleicht auch, die eigenen Vorurteile zu überprüfen.
Jede*r hat sie, diese Schubladen im Kopf. Sie helfen den Überblick zu bewahren, beeinflussen aber auch das Verhalten anderen gegenüber. Genau deshalb ist es entscheidend, sich dessen bewusst zu sein, sich selbst zu überprüfen und die kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Vorurteilen zu suchen. Gleichzeitig aber auch aufzuklären, wenn uns stereotype Aussagen wie „Menschen ohne Obdach sind (arbeitsscheue) Trinker“ oder „Die sind doch selbst schuld, in Deutschland muss niemand obdachlos sein“ begegnen.
Weder das eine noch das andere ist zutreffend und Verallgemeinerungen sind stets eher schädlich, als dass aus ihnen etwas gutes erwächst.
Vor einigen Tagen lasen wir von einem beunruhigenden „Trend“ unter jungen Menschen auf TikTok. Offenbar wurden Personen, die auf der Straße leben ohne ihre Zustimmung gefilmt und die Videos online gestellt. In manchen der Videos ging es explizit darum, die Personen vorzuführen, zu erschrecken, zu ärgern. In anderen Videos wurde gezeigt, wie ein Kaffee oder Geld überreicht wurde. Oder es wurden Vorurteile bekräftigt. Man gebe kein Geld, dafür würde sich ohnehin nur Alkohol gekauft und das angebotene Brötchen sei sehr unhöflich abgelehnt worden etc.
In ihrer Fragwürdigkeit unterscheiden sich die Fälle lediglich in der Absicht zumindest in dem einen Fall etwas gutes zu tun. Sie stellen einen Ein- und Übergriff dar in den persönlichen Bereich eines Menschen dar.
Dabei ist es doch eigentlich ganz einfach:
Was Du nicht willst, dass man Dir tut, das füge auch keinem anderen zu.
Wir können uns kaum vorstellen, dass auch nur eine*r der Jugendlichen (ob sie in guter oder schlechter Absicht handelten) sich über die ungefragte Verewigung im Internet begeistert zeigen würde.
Mit ein bisschen mehr Verständnis und Respekt füreinander wäre an manchen Stellen schon viel gewonnen.