Artikel 25 der Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948, stellt fest:
1. Jeder Mensch hat das Recht auf einen Lebensstandard, der Gesundheit und Wohl für sich selbst und die eigene Familie gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen gewährleistet sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung, im Alter sowie bei anderweitigem Verlust seiner Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
2. Mütter und Kinder haben Anspruch auf besondere Fürsorge und Unterstützung. Alle Kinder, eheliche wie außereheliche, genießen den gleichen sozialen Schutz.“
Ein angemessener Lebensstandard ist also aus menschenrechtlicher Sicht festgeschrieben, ja geradezu verbrieft.
Doch „Grau ist alle Theorie“ heißt es nicht umsonst und gilt auch für die Theorie dieser Worte, die sich so massiv von der Lebensrealität vieler Menschen unterscheidet.
Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) leben in Deutschland schätzungsweise 650.000 Menschen ohne eigene Wohnung. Hierbei handelt es allerdings um eine Schätzung für das Jahr 2017; aktuellere Zahlen gibt es nicht. Der Schätzung bzw. Hochrechnung der BAGW liegt eine Erhebung in Nordrhein-Westfalen zugrunde. Eine bundesweite Erhebung zum Thema Wohnungs- und Obdachlosigkeit gibt es nicht.
Unterdessen plant Berlin für den kommenden Januar eine Zählung der von Obdachlosigkeit betroffenen Menschen. Laut Hochrechnung der BAGW leben in Deutschland 48.000 Menschen auf der Straße.
Was also bleibt angesichts solcher Zahlen, die sich in die Wohnungsbau- und Stadtentwicklungspolitik fortschreiben ließen, von dem Recht auf einen angemessenen Lebensstandard übrig?
Benötigt würden, so sagt die BAGW, pro Jahr 80.000 bis 100.000 Sozialwohnungen und weitere 100.000 bezahlbare Wohnungen. Fertigestellt wurden im Jahr 2018 aber lediglich 278.000 Wohnungen – und zwar bundesweit.
Die Diskrepanz ist also mehr als offenkundig.
Wohnen allein aber ist nicht alles, wenn auch unbestreitbar ein sehr großer Teil, was zur Gewährleistung eines „guten Lebens“ beiträgt.
Auch medizinische Versorgung hat einen erheblichen Anteil an einem eben angemessenen Lebensstandard. Dazu gehört auch eine Krankenversicherung, die bei weitem nicht jede*r sein Eigen nennen kann.
Pflege und Versorgung erkrankter Menschen ohne Obdach ist ebenfalls ein Feld, für das es kaum belastbare Daten, wohl aber zuhauf furchtbare Geschichten zu erzählen gibt.
Die Chancen eine eigentlich unerhebliche Erkrankung wie eine einfache Erkältung gänzlich auszukurieren stehen ohne Rückzugsort und auch angemessene medizinische Versorgung ungleich schlechter.
Das Leben auf der Straße kostet Kraft und zerrt an den Menschen, so dass es kaum verwundern kann, dass die Lebenserwartung durchschnittlich bei 49,3 Jahren und damit um gut 30 Jahre niedriger liegt, als bei Menschen mit Dach über dem Kopf.
Natürlich gibt es Einrichtungen und Projekte, die sich bemühen, die Versorgungslücke zu verkleinern, gar zu schließen. Einen im Sinne des Artikel 25 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte angemessenen Lebensstandard können diese Angebote aber ebenso wenig gewährleisten wie Zelte oder so genannte Tiny Homes ein Zuhause sind. Und trotzdem sind all diese Einrichtungen und Projekte notwendig.
Aber am Ende der Rechnung geht es eben auch um die gesellschaftliche Teilhabe.
Obdachlosig- und Wohnungslosigkeit, Armut – gleich woraus sie resultiert – isolieren und machen gesellschaftliche Teilhabe nicht selten sogar unmöglich.
Die Verantwortung dafür, die Vorzeichen zu ändern, trägt sicherlich in weiten Teilen die Politik. Aber auch die zivile Gesellschaft hat einen unbestreitbaren Anteil und eine Verantwortung für ein solidarisches Miteinander einzustehen und so mit dafür Sorge zu tragen, dass Artikel 25 irgendwann vielleicht nicht mehr nur schöner Worte Theorie ist.
So muss sich wohl jede*r Einzelne die Frage stellen:
In was für einer Welt möchte ich leben?
Quellen / weiterführende Links:
https://www.menschenrechtserklaerung.de/
https://www.sueddeutsche.de/…/wohnungslose-obdachlose-1.454…
https://www.tagesspiegel.de/…/nacht-der-solid…/25253702.html
https://www.ndr.de/…/Luecke-in-der-Versorgung-kranker-Obdac…
https://www.hinzundkunzt.de/lebenserwartung-obdachlose/
https://hoffnungsorte-hamburg.de/…/interview-mit-dr-ishors…/
https://www.bagw.de/…/publikat…/pos-pap/position_wohnen.html
https://www.zeit.de/…/statistisches-bundesamt-armut-soziale…